Reisebericht Tag 8 und 9 - Wrangell/St. Elias NP

31. Juli 2004:

Morgens erleben wir eine Premiere. Wir verbringen ein Frühstück, bei dem es nicht nieselt oder bei dem dunkle Wolken uns Sorgen machen müssten. Das Wetter scheint sich daran zu gewöhnen, dass wir hohe Ansprüche haben.

Über Glennallen fahren wir nach Osten in Richtung McCarthy/Kennicott, wo nach vier Zeltplätzen eine Jugendherberge (oder so etwas ähnliches) auf uns wartet. Dieser Teil des Glenn Highway und später die McCarthy-Road gehören landschaftlich zu dem abwechslungsreichsten der ganzen Reise. Theoretisch könnte man alle 5 Minuten einen Fotostop einlegen, denn die Aussichten auf die Berge der Chugach und Wrangell Mountains sowie die dort beheimateten Gletscher ändern sich regelmäßig. Ich kann nur empfehlen, sich für diese Strecke, auch wenn es nur 200 Meilen sind, einen ganzen Tag Zeit zu nehmen.

Wir sind entsprechend mit Zeit ausgerüstet und machen mehrere längere Stopps. Beim Ersten treffen wir eine kalifornische Familie inkl. etwas paranoidem Hund und ich wundere mich mal wieder, wie einfach es ist, mit Amerikanern ins Gespräch zu kommen. Es gibt sicher manches, was mich an der amerikanischen Mentalität stört (oder an politischen Ansichten), aber die Kontaktaufnahme wird immer leicht gemacht. Ein zweiter Stop findet in Sichtweite des Nelchina Gletschers statt. Wunderschön. Das Fireweed leuchtet in Pink, dazwischen finde ich knapp über dem Boden eine gelbe Mohnblüte, die minutenlang von einer Biene heimgesucht wird :-)

In Cooper Center, am Richardson Highway gelegen, machen wir Station. In zwei kleinen Museen kann man sich über die Zeiten des Goldrauschs und über die historische Entwicklung Alaskas gut informieren. Dazu ist der Eintritt kostenlos. Ein Stündchen Zeit sollte man sich dafür nehmen, es lohnt sich. Viele Dinge, die ich dort erfahre, habe ich in Reiseführern nicht gefunden.

Den ersten genialen Blick auf die höchsten Berge der Wrangell Mountains, die nordöstlich der Chugach Bergkette liegen, erhaschen wir vom Willow Lake, südlich von Cooper Center. Mt. Wrangell (4.317 m) ist in Wolken, Mt. Blackburn (4.993 m) und Mt. Sanford (4.949 m) sind gut sichtbar, obwohl etwa 80 Kilometer entfernt.

Bei Chitina verlassen wir erstmals die geteerten Straßen und haben 60 Meilen Schotterstraße vor uns. Nach 1.000 Meilen durch das Outback Australiens kann mich diese Strecke nicht schrecken. Wie sich schnell herausstellt, ist sie auch sehr angenehm befahrbar. Dazu kommen tolle Aussichten auf Seen, Berge, Gletscher und einen Schwarzbär, der 50 Meter vor uns die Straße kreuzt und danach im Gebüsch verschwindet.

Die ersten Eindrücke vom Wrangell/St. Elias Nationalpark, der hinter Chitina beginnt, sind überwältigend. Es scheint, dass mir bereits nach einer Woche die Superlative ausgehen. Sollten sich also einzelne Begriff wiederholen, bitte ich um Entschuldigung. Doch die Szenerie ist mit zurückhaltenderen Ausdrücken nicht angemessen zu beschreiben. Bergspitze an Bergspitze, Gletscher an Gletscher. Der Nationalpark, sechsmal größer als Yellowstone, bietet genügend Möglichkeiten sich eine oder mehrere Wochen darin zu verlieren. 9 der 16 höchsten Berge der USA befinden sich in dieser Gegend, ebenso wie die höchste Konzentration an Gletschern auf dem amerikanischen Kontinent.

Um 3 Uhr stehen wir auf dem Parkplatz vor der Fußgängerbrücke, die nach McCarthy führt. Der Kennicott Glacier leuchtet in der Nachmittagssonne und bietet ein umwerfendes Panorama, das ich stundenlang genießen könnte. Die Autos müssen auf dem Parkplatz zurückbleiben, im Sommer ist ein Überqueren des Flusses auf vier Rädern nicht möglich.

Wir laden das Gepäck, das wir für die kommenden zwei Tage benötigen, auf zwei Holzwagen und ziehen sie über die Brücke. Job, ein 12jähriger Junge, hilft uns beim Verladen des Gepäcks in einen Transporter, seine große Schwester kommt dazu und fährt den Wagen nach McCarthy. Wie sich im folgenden Gespräch herausstellt, haben wir es mit der Pilgrim Family zu tun, die nach strengen christlichen Regeln in der alaskanischen Wildnis lebt und neben touristischen Dienstleistungen im Sommer (Transporte, Ausritte, Wanderungen) CDs aufnimmt und verkauft. 16 Kinder haben die Eltern produziert. Kompliment.

Mc Carthy ist ein kleines Nest im NP mit 42 Einwohnern. Der Ort besteht aus einem Hotel, einer Herberge (Lancaster BP Hotel - da wohnen wir in Vierbettzimmern), einem Restaurant, einer Bar und mehreren Dienstleistungsunternehmen wie z.B. zwei Lufttaxis, mit denen man die umliegende Berglandschaft fliegerisch kennenlernen kann; Flightseeing genannt.

Nach dem Beziehen der etwas klein geratenen Zimmer bereiten wir unser Abendessen (Spaghetti Bolognese a la Monika) mitten auf der Hauptstraße von McCarthy zu, eine interessante Erfahrung. Unterhalten werden wir von einem halben Dutzend Hunden, die herumtollen und am liebsten unser Abendessen in Rohform verspeisen würden. Und dann ist da noch Growler, ein süßes rötliches Kätzchen, ein halbes Jahr alt, das sich von einem der Hunde auf einen Baum jagen lässt und dann nicht mehr heruntertraut.

Das Wetter wird besser und vor allem wärmer. Noch um 8 Uhr können es die meisten mit T-Shirt und kurzen Hosen aushalten, für Alaska ist dies schon etwas besonderes. Zum Abschluß reservieren 6 von uns noch einen 70minütigen Flug am nächsten Tag (Wrangell Air, 135 Dollar).

1. August 2004:

Was für ein Unglück! Ich hatte mir doch einige Deko-Wölkchen für den Flug gewünscht und jetzt - 2 Stunden vor dem Start um 7.30 Uhr - ist der Himmel (wieder eine Premiere) strahlend blau. Wir haben in den letzten Tagen aber auch Peck mit dem Wetter.

Den Flug, der pünktlich um halb zehn startet (Cessna 207, BJ 1975, Flughöhe bis zu 8.500 Fuß), mit Worten zu beschreiben, ist kaum möglich. Ich versuche es daher gar nicht, sondern verweise auf die entsprechenden Bilder in den Galerien. Nur so viel: ich bekomme auch noch den Wunsch nach einigen Wölkchen erfüllt, es ist wie wenn Geburtstag und Weihnachten auf einen Tag fallen. Nach den Grizzlys von Brooks der zweite absolute Höhepunkt der Reise. Ich kann nur empfehlen, das entsprechende Kleingeld bei der Planung einer Alaska-Reise für Flightseeing zu reservieren, es lohnt sich (siehe auch McKinley).

Wanderungen sind ebenfalls sehr zu empfehlen. Von Kennicott aus (Shuttlebus von McCarthy für 5 Dollar, 20 Minuten Fahrt) gibt es drei interessante Möglichkeiten:
a) Den Bonanza Trail mit ca. 1.000 Höhenmeter für Sportliche
b) Einen Trail am Seitenkamm der Moräne für Abenteuerliche
c) Einen Trail auf den Gletscher für Eisverrückte

Wir entscheiden uns für die zweite Möglichkeit, die gute Schuhe und eine gute Trittsicherheit voraussetzt. Der Weg ist teilweise sehr schmal und führt immer wieder direkt am Abgrund vorbei. Mehrfach passieren wir frische Bärensch..., aber den Bären selbst bekommen wir nicht zu Gesicht. Bei den engen Wegen ohne Ausweichmöglichkeit ist dies nicht wirklich negativ. Immerhin treffen wir später noch jemand, der den Bären gesehen hat.

Am Abend gibt es Pause vom Selbstkochen. Wir besetzen die Bar neben unserer Herberge und lassen uns die Buffalo-Burger mit French Fries (12 Dollar) so richtig schmecken. Während des Essens beginnt es draußen zu schütten. Kein Wetter für Camping, aber wir haben ja ein festes Dach über dem Kopf. So langsam macht der Spruch "wenn Engel reisen" die Runde.


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